Zeitungsartikel Trinkwasserproblem - Geschichtsverein RAK e.V.Königswartha

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Zeitungsartikel Trinkwasserproblem

Zeitungsartikel vom 05.01.1990

An einer Kritik auf dem Bezirkstag drangeblieben“
 
Läuft in Königswartha die Karre in Sachen Wasser schon wieder?
 
Oder: wie eine ausgezeichnete Gemeinde zu einer Trinkwasserkatastrophe kam

„Die Karre läuft wieder“, pflegt Bürgermeister Gerhard Benad (LDPD) zu sagen, wenn in Königswartha wieder was geschafft wurde, und das war Dank des Bürgerfleißes und der Mitarbeit ortsansässiger Betriebe und LPGs nicht wenig in vergangenen Jahren. Zentrale Trinkwasserversorgung für acht der neun Ortsteile ist nur einer der Pluspunkte, die auch heute noch zählen. Nur die Bürger von Königswartha versorgten sich noch aus ihren Hausbrunnenanlagen. Daß nun Anfang September 89 ausgerechnet in puncto Trinkwasser die Karre so richtig in den Dreck gefahren war, damit wollte der dienstälteste Bürgermeister des Bezirkes seine über 40jährige Amtszeit gewiß nicht beenden.
 
Aber zum Ausgangspunkt: Fast 900 Geschoßwohnungen werden in Königswartha gebaut. Schon Anfang der 80er Jahre fiel dafür die Grundsatzentscheidung, nicht in der Gemeindevertretung, im Kreistag oder im Bezirkstag, sondern im Rat des Bezirkes. Perspektive Großgemeinde. Grund: Extensive Erweiterung des VEB Mechanische Werkstätten, ein LVO-Betrieb, und anderer Betriebe. Angesichts erfolgreicher Friedensmühen steht heute eine Umprofilierung des LVO-Betriebes auf der Tagesordnung. Die Entscheidung von damals bringt jedoch erhebliche Probleme für die Infrastruktur des Ortes. Das akuteste seit September: Ausfall der Hauswasseranlagen für 600 Haushalte, etwa 1800 Bürger. Versorgung aus dem Wasserwagen. Dem Neubau geschuldete Wasser-Sorgen gibt es jedoch schon seit April 1988. So kam es durch unqualifizierte Arbeit des VTKD und des VEB WAB zur Havarie an einer Hauptschleuse der Kläranlage, so daß 25 Brunnenanlagen des Altdorfes fäkalisch verseucht und damit unbrauchbar wurden. Mit großen Anstrengungen gelang es, sie bis September 1989 an die Trinkwasserversorgung anzuschließen. Dann baute der WBKD kurz entschlossen, ohne Bürgermeister oder Betroffene zu informieren, eine Hilfswasserleitung ab, die die notwendige Grundwasserabsenkung für den Bau des Heizhauses überbrücken sollte. Wieder saßen 20 Haushalte im Trocknen.
 
Und im September 89 schließlich die bekannten, auf dem außerordentlichen Bezirkstag am 26. Oktober genannten Störungen im gesamten Altdorf, weil zum Bau der Kläranlage für den Neubau zwar die Absenkung des sogenannten Dortmund-Brunnens einkalkuliert, aber die dafür notwendige Ersatzwasserleitung zur Versorgung des Dorfes in den Plan nicht eingeordnet war.
 
Nun gab es Bürger im Dorf, die vor allem Bürgermeister Benad für diese Misere verantwortlich machten. Doch sie urteilten wohl vorschnell, denn von Anfang an kämpften er und die Gemeindevertretung für die Interessen des Altdorfes, mahnten an, daß der Neubau in Königswartha nicht zu Lasten der historisch gewachsenen Siedlung gehen dürfe. „Wir haben dazu rechtzeitig und immer wieder auf die Probleme, die uns heute so drücken, aufmerksam gemacht“, so der Liberaldemokrat Gerhard Benad auf einer gemeinsamen Beratung von Rat des Kreises und Gemeinderat am 6. November 1989.
 
Ziel dieser Ganztagssitzung: Krisenmanagement in Sachen Wassernotstand, aber auch für eine Reihe anderer Probleme, die der Neubau mit sich gebracht hatte. Aber, zu sehr schoben sich da noch Verantwortliche von Betrieben und Institutionen gegenseitig die Schuld zu, machten Einwände, stellten fest, statt in neuer Weise die Karre wirklich aus dem Dreck zu ziehen, um mit Gerhard Benads Worten zu sprechen, und es entstand die Frage, ob sich an diesem Tag schon alle des Ernstes der Lage in Königswartha voll bewußt waren. Einer war’s: der Ratsvorsitzende des Kreises, Lothar Müller. Er brachte die Angelegenheit völlig richtig auf den Punkt: Auch der Rat des Kreises kann sich nicht aus der Verantwortung für die entstandene Lage mogeln. Deshalb seien jetzt schnell und endgültig Lösungen zu finden. Ihre Qualität und Verbindlichkeit sind mehr denn je Prüfstein für staatliche Arbeit, geben den Ausschlag für politische Stabilität im Ort. – Und wer sich diesem Anspruch nicht gewachsen fühlt, muß sich zuallererst selbst befragen, ob er weiterhin Verantwortung für die Organisation des Lebens im Kreis oder Bezirk übernehmen kann. Mit der Suche nach Ursachen wurde die Staatsanwaltschaft vom Bezirkstag beauftragt, und auf der Tagung am 20. November 1989 gab Bezirksstaatsanwalt Wolfgang Lindner bekannt: Die entstandene Lage sei Spiegelbild für die seit Jahren ungelösten Probleme im Bauwesen. Pläne und Bilanzen seien nicht aufgegangen, die notwendige Standortvorbereitung fehlte. Operative Lösungen bestimmten den Bauablauf.
 
Die Folgen: Termine für Heizwerk und Schule können nicht gehalten werden, der Bau der Kläranlage wurde 1986 ebenso verschoben wie der Bau des Wasserwerkes, für das es noch immer keinen Termin gibt.
 
Das Fazit: Die gültigen Rechtsvorschriften für die Vorbereitung und Realisierung von Wohnungsbaustandorten wurden in vielen Fällen verletzt. Trotzdem keine Anhaltspunkte für Sabotage oder Wirtschaftsverbrechen. – Also keine juristisch Schuldigen.
 
Aber nicht weniger schwer wiegt die politische Verantwortung, und von der kann nur ein Teil aus dem Bezirk nach oben geschoben werden. So bestätigte der damalige Ratsvorsitzende Günther Witteck auf dem Bezirkstag am 20. November: Die geübte Kritik bestehe zu Recht. Viel Ärger hätte durch bessere Arbeit im Rat des Bezirkes verhindert werden können.
 
Seit Wochen wird nun schon hart gearbeitet im Altdorf von Königswartha. Straßen werden aufgeschachtet, Rohre verlegt, Hausanschlüsse installiert. Mit einer Feuerwehraktion wird das durchgezogen, was ursprünglich Schritt für Schritt vorgesehen war. Bürgerfleiß und gute territoriale Zusammenarbeit erweisen sich auch in den stürmischen Zeiten der Wende in dieser Gemeinde als etwas Bleibendes. Mehr Engagement spürt Bürgermeister Benad jetzt auch von den staatlichen Stellen, die hier zumindest moralischen Schaden wiedergutzumachen haben. Sehr engagiert sich jetzt das VTKD. Der „erste“ Mann im Dorf ist trotz seiner vielen Dienstjahre im alten administrativen Staatsapparat Optimist geblieben und hofft, daß die Gemeinde in diesem Jahr Wasserfest feiern kann. „Die Karre läuft wieder, auch wenn der Kontakt zum neuen Bezirksbaudirektor noch fehlt“, sagte er uns gestern am Telefon. Ein Drittel der betroffenen Haushalte ist bereits an die Wasserleitung angeschlossen. Die Bürger von Königswartha werden sicher genau registrieren, wer die Karre tatkräftig mit aus dem Dreck zieht.“
 
– Thomas Schade –
 
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