Flugblatt August 1942 - Geschichtsverein RAK e.V.Königswartha

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Flugblatt August 1942

Flugblatt von Luftmarschall Harris, Oberbefehlshaber der britischen Kampfflugzeuge, das am 6. August 1942 über Deutschland (so auch über Königswartha) abgeworfen wurde. Wir erhielten es unlängst von einem Bürger unserer Gemeinde; ein Flugblatt, beidseitig bedruckt, wir haben es für Sie abgeschrieben.

Diese Veröffentlichung geschieht im Gedenken an die Bombenangriffe auf Dresden, am 13. Februar 1945.
Foto vom Original

Am 6. August 1942 über Deutschland abgeworfen           (rot-weiß-blauer Kreis – von innen nach außen)
Eine Botschaft des Oberbefehlshabers der Britischen Kampfflugzeuge
an das deutsche Volk
NOCH nie hat der Mann, der die Bombenangriffe auf ein Land leitet, eine Botschaft an die Bevölkerung dieses Landes gerichtet. Ich, Luftmarschall Harris, Oberbefehlshaber der britischen Kampfflugzeuge, die Deutschland angreifen, habe mich entschlossen, diese Botschaft an das deutsche Volk zu richten.
Wir in England haben zur Genüge erfahren, was Luftangriffe bedeuten. Zehn Monate hindurch hat uns eure Luftwaffe mit Bomben belegt. Zuerst bei Tage. Als wir das abgestellt hatten, kam sie bei Nacht. Ihr hattet damals eine starke Luftwaffe. Eure Flieger schlugen sich gut. Zweiundneunzig Nächte hintereinander haben sie London gebombt. Coventry, Plymouth, Liverpool und andere britische Städte haben sie schwer angegriffen. Der Schaden, den sie anrichteten, war beträchtlich. 43000 britische Männer, Frauen und Kinder sind dabei ums Leben gekommen, viele historische Bauten, die uns lieb und teuer waren, sind zerstört. Damals glaubtet ihr – denn Göring hatte es euch versprochen – das ihr selber vor Bomben sicher seid. Und tatsächlich konnten wir nur mit wenigen Flugzeuen antworten. Jetzt sind die Rollen vertauscht. Jetzt kommen nur ab und zu ein paar deutsche Maschinen zu uns, und wir bomben Deutschland nach Noten.
Warum wir das tun? Nicht aus Rachsucht – obwohl wir Warschau, Rotterdam, Belgrad, London, Plymouth, Coventry nicht vergessen. Wir bomben Deutschland, eine Stadt nach der anderen, immer schwerer, um euch die Fortführung des Krieges unmöglich zu machen. Das ist unser Ziel. Wir werden es unerbittlich verfolgen. Stadt für Stadt. Lübeck, Rostock, Köln, Emden, Bremen, Wilhelmshaven, Duisburg, Hamburg – und die Liste wird immer länger. Lasst euch von den Nazis mit ins Verderben reissen, wenn ihr wollt. Das ist eure Sache.
* * *
IST das Wetter gut, dann kommen wir bei Nacht. Schon jetzt fliegen tausend Bomber eine Stadt wie Köln an und zerstören innerhalb einer Stunde ein Drittel von ihr. Wir wissen das, denn wir haben die Luftaufnahmen. Ist der Himmel bewölkt, so kommen wir bei Tag und bomben eure Fabriken und Docks: Danzig, so weit entfernt es auch ist, weiss Bescheid. Wir kommen bei Tag und bei Nacht; kein Teil des Reiches ist sicher.
In Köln, im Ruhrgebiet, in Rostock, Lübeck oder Emden mag man der Ansicht sein, dass wir mit unsern Bombern schon allerhand geleistet haben. Wir sind anderer Ansicht. Was ihr bisher erlebt habt, wird nicht zu vergeichen sein mit dem was kommt, sobald unsere Produktion von Bombenflugzeugen erst zu einem Strom anschwillt und die amerikanische sich verdoppelt und vervierfacht.
Ich möchte ganz offen darüber sprechen, ob wir einzelne mililtärische Ziele angreifen oder ganze Städte. Selbstverständlich bomben wir lieber eure Fabriken, Docks und Eisenbahnen: das trifft Hitlers Kriegsmaschine am schwersten. Aber die Arbeiter die in diesen Werken beschäftigt sind, wohnen direkt um sie herum. Deshalb fallen unsere Bomben auf eure Wohnhäuser und – auf euch.
Wir bedauern, dass das notwendig ist. Die Arbeiter des Dieselmotorenwerks Humboldt-Deutz in Köln z.B. von denen eine Anzahl in der Nacht des 30. Mai umkam, mussten die Gefahren des totalen Kriegs auf sich nehmen, genau wie die Seeleute unserer Handelsflotte gegen welche die (mit Motoren von Humboldt-Deutz ausgerüsteten ) U-Boote ihre Torpedos abgefeuert hatten. Waren die Arbeiter der Flugzeugwerke von Coventry, ihre Frauen, Ihre Kinder nicht auch „Zivilbevölkerung“ ganz wie die Arbeiter der Rostocker Flugzeugwerke und deren Familien! Aber Hitler hat es so gewollt!
* * *
Es stimmt, dass eure Abwehr unseren Bombern Verluste zufügt. Eure Führer erzählen euch zu eurem Trost, diese Verluste seien so schwer, dass wir unsere Luftangriffe bald nicht mehr würden fortsetzen können. Wer das glaubt, wird bitter enttäuscht werden. Ich der die britischen Kampfflugzeuge befehligt, will euch sagen, wie gross unsere Verluste sind: nicht einmal 5 v. H. der Bomber, die wir über Deutschland schicken, gehen verloren. Eine solche Verlustrate kann kaum den ständigen Zuwachs verzögern, der durch die steigende Produktion unserer eigenen und der amerikanischen Fabriken sichergestellt ist.
* * *
Amerika greift erst jetzt in Europa ein. Die ersten Geschwader, Vorläufer einer ganzen Luftflotte, sind aus U.S.A. in England eingetroffen. Ist es euch klar, was es bedeutet, wenn die auch Deutschland angreifen? Allein aus einem einzigen amerikanischen Betrieb, den neuen Fordwerken in Willow Run Detroit, rollt schon jetzt alle zwei Stunden ein neuer viermotoriger Bomber heraus, der vier Tonnen Bomben nach jeder deutschen Stadt tragen kann. Und Willow Run ist nur ein Betrieb unter Dutzenden. An diese Anlagen könnt ihr nicht heran. Auch eure U-Boote können die amerikanischen Bomber nicht am Herüberkommen hindern: denn die fliegen über den Atlantik.
Bald werden wir jeden Tag und jede Nacht erscheinen, bei Regen, Sturm und Schnee – wir und die Amerikaner. Ich war gerade acht Monate drüben, und so weiss ich genau, was bevorsteht. Wenn ihr uns dazu zwingt werden wir das Dritte Reich von einem Ende zum andern heimsuchen. Ihr könnt uns nicht hindern und ihr wisst das.
Ihr habt keine Chance. Ihr habt uns 1940 nicht schlagen können, als wir waffenlos waren und allein standen. Eure Führer waren dann so verrückt, auch noch Russland und Amerika anzugreifen (aber eure Führer sind eben verrückt – das weiss die ganze Welt, ausser Italien). Wie könnt ihr jetzt auf einen Sieg hoffen, da wir, mit Russland und Amerika immer stärker werden, während euch die Kraft mehr und mehr ausgeht? Nein, ihr habt keine Chance.
* * *
VERGESST Eines nicht, wie weit eure Armeen auch vormarschieren, sie können nie bis nach England kommen. Sie konnten schon nicht herkommen, als wir waffenlos waren. Sie können siegen, soviel sie wollen – den Luftkrieg müsst ihr dann immer noch mit uns und den Amerikanern fechten. Den könnt ihr nie gewinnen – aber wir gewinnen ihn bereits.
Und nun noch ein letztes Wort:
Es steht bei euch, mit Krieg und Bomberei Schluss zu machen. Stürzt die Nazis und ihr habt Frieden! Es ist nicht wahr, dass wir einen Rachefrieden planen. Das ist eine deutsche Propagandalüge. Aber wir werden es ganz gewiss jeder deutschen Regierung unmöglich machen, noch einmal einen totalen Krieg anzufangen. Ist das nicht ebenso euer Interesse wie das unsere?
              A T Harris    … (handschriftliche Unterschrift)

Auszugsweise lesen sie nachstehend einen Kommentar von Malte Lehming, u.a. Autor und Redakteur beim „Tagesspiegel“; entnommen: https://www.tagesspiegel.de/autoren/malte-lehming
„… Den ersten Bombenangriff auf eine bewohnte Stadt flog im Zweiten Weltkrieg die deutsche Luftwaffe. Das war am 1. September 1939, nur Stunden nach Beginn des Krieges. Das polnische Wielu wurde dabei fast vollständig zerstört. Es folgten Rotterdam, Coventry, andere. Briten und Amerikaner begannen 1942 mit Flächenbombardements auf deutsche Großstädte. Solche Luftangriffe wurden bewusst auch auf reine Wohngegenden geflogen, mit dem erklärten Ziel, den Durchhaltewillen des Feindes zu brechen, seine Moral. Das geschah zumeist in mehreren Wellen. Zuerst wurden Sprengbomben abgeworfen, um Dächer abzudecken und Fenster zu zertrümmern. Dann wurden Brandbomben geworfen. Zum Schluss, während der Löscharbeiten, explodierten mit Zeitzündern versehene Luftminen.  
In der Nacht zum 14. Februar 1945 verwandelten britische Flugzeuge die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Dresden in ein Flammenmeer. Innerhalb von 15 Minuten wurden drei Viertel der Altstadt in Brand gesetzt. Ein Bombenteppich zerstörte die gesamte Innenstadt. Es war der schwerste Luftangriff auf eine Stadt im Zweiten Weltkrieg, rund 25 000 Menschen wurden getötet. Ob Kinder, Frauen, Alte, Kranke – jeder war ein Ziel der Angriffe. Planvoll und systematisch wurden Zivilisten umgebracht. … Die absichtliche Tötung unschuldiger Menschen aber ist Mord, auch im Krieg. … So wie ein Aggressor durchaus „sauber“ kämpfen kann, kann ein Verteidiger, etwa durch Einsatz von Chemiewaffen, abscheuliche Verbrechen begehen. Im Recht zu sein, einen Krieg zu führen, befreit nicht von der Notwendigkeit, ihn im Einklang mit allseits akzeptierten Normen führen zu müssen. … Dresden war ein Unrecht. …“
An dieser Stelle ein paar persönliche Worte von mir: Meine Großmutter, meine Mutter und meine Tante waren zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht nach Dresden um bei Freunden unterzukommen. Als Dresden bombardiert wurde, standen sie mit ihrem Handwagen auf einer Brücke in Rathen und mit ihnen viele, viele weitere Geflüchtete, auch aus Königswartha. Sie hat nicht oft von diesem Feuer-Meer berichtet, aber wenn sie zu erzählen begann, dann waren selbst wir Kinder still.

Der Nachkriegsschwur aller politischen Parteien nach dem zweiten Weltkrieg „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen …“ wurde zum Selbstverständnis unseres Landes und so muss es auch bleiben!
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