Niesendorf - Geschichtsverein RAK e.V.Königswartha

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Niesendorf

Am 05.08.2000 feierte Niesendorf, ein kleiner Ortsteil unserer Gemeinde, sein 400-jähriges Jubiläum. Der leider früh verstorbene Siegfried Schelzig hatte aus diesem Anlass eine Festrede über die Geschichte des Dorfes verfasst.
Hier einige Auszüge daraus:
„Vor 400 Jahren, als die Lausitz noch zu Böhmen gehörte, ist Niesendorf im Zentralarchiv von Prag das 1.Mal erwähnt worden. Es war die Zeit kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg, in dem die Lausitz mehrfach Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen war und weite Gebiete verwaist und vor allem durch die Pest entvölkert wurden. Dass es sich bei dem Ortsnamen „Nyzewitz“, um 1380 im Zinsregister des Klosters Mariensterns benannt, um Niesendorf handelt, kann nicht eindeutig belegt werden. Das Jahr der schriftlichen Ersterwähnung ist bekanntlich maßgebend für die Festlegung des Gründungsjahres einer Ortschaft, d.h. nicht dass  hier vorher keine Menschen wohnten. Es ist vielmehr anzunehmen, dass bereits vor 3000 Jahren wahrscheinlich germanische Stämme, die Burgunder, wir kennen sie aus dem Nibelungenlied, angesiedelt waren. Archäologische Funde vom 18.bis 20. Jahrhundert auf den Fluren von Königswartha, Caminau und Eutrich weisen darauf hin.

Niesendorf - „Waldfrieden“- Gaststätte mit Biergarten und Ausflugsort für die Königswarthaer. Das Haus existiert nicht mehr, nach längerem Leerstand wurde das verfallene Gebäude abgerissen.
Eine alte Flurbezeichnung „Das alte Dorf“ für eine Erhebung, östlich vom Ziganteich, könnte auch ein Hinweis auf einen solchen Standort auf den
Fluren von Niesendorf sein. Doch das sind nur Vermutungen. Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass in 500 bis 600 n. Chr. im Zuge der
Völkerwanderung slawische Stämme, in unserem Gebiet die „Milzener“, aus denen die heutigen Sorben hervorgegangen sind, die Lausitz besiedelten. Nach der Jahrtausendwende kam die Lausitz wieder mehr unter deutschstämmigen Einfluss. Die Folge war die beginnende Zweisprachigkeit, was aus den Ortsbezeichnungen ersichtlich ist. Der Ortsname Niesendorf ist sorbischen Ursprungs, von Niža  wjes abgeleitet. Richtig übersetzt müsste der Ort Niederdorf heißen. 1600 wird die Größe des Ortes mit 4 Bauernhöfen, wörtlich heißt es im Zentralarchiv Prag: „4 besessene Mann“ angegeben.
Heute haben wir 49 Einwohner. Das Durchschnittsalter beträgt 40 Jahre.Es fällt auf, dass Niesendorf niemals im Besitz des nahen Rittergutes von Königswartha war. Es gehörte bis 1840, als die allgemeine Ablösung stattfand, zum Kloster St. Marienstern von
Panschwitz-Kuckau. Das war ein Vorteil für den Ort, da die erforderlichen Abgaben und Dienste im Verhältnis zu denen für die Rittergüter geringer waren. 1856, mit der Einführung der Gerichte, wurde das Ende der Zugehörigkeit zu St. Marienstern auch staatlich anerkannt. Prof. Mucke, ein sorbischer Historiker, schreibt über Niesendorf: „1876 sind nach einem Großfeuer 13 schöne massive Wirtschaften entstanden, die sich aus
-          1 Gut
-          4 Wirtschaften mit 1 Pferd
-          3 Gärtnern mit 3 bis 4 Kühen und
-          5 Häuslern mit einem Feld
zusammensetzen.“
1884 gab es in Niesendorf 68 Einwohner, davon 66 Sorben und 2 Deutsche, die auch die sorbische Sprache beherrschten. Ab 1933 sprachen noch
fast alle sorbisch. Einer ist vor allem durch die gewaltsame Eindeutschungspolitik der Nationalsozialisten – die Zwangsaussiedlung der Sorben war
bereits geplant – dieses bedeutende Kulturgut heute kaum noch vorhanden.
Nur noch 3 Einwohner beherrschen die sorbische Sprache perfekt.
Die Landwirtschaft war bis zum 2. Weltkrieg im Wesentlichen die Existenzgrundlage der Einwohner. 1939 gab es 12 kleine bis mittlere Bauerngehöfte mit einer durchschnittlichen Größe von 6,5 ha. Die 1960 durchgesetzte Zwangskollektivierung führte zum endgültigen Aus für die selbständigen landwirtschaftlichen Betriebe. …
 
… Interessant ist auch die Feststellung, dass Niesendorf, bevor es verwaltungsmäßig zu Königswartha kam, bis 1936 eine selbständige Gemeinde war. Der letzte Bürgermeister, Georg Jannasch, hatte sein Gehöft auf dem heutigen Dorfplatz. In der kleinen Ausstellung befindet sich u.a. eine mit den Farben der Sorben (blau, rot, weiß) geschmückte historische Fahne. Diese wurde 1874 anlässlich der kirchlichen Eingemeindung der
Ev.-Luth. Kirchgemeinde vergeben. Vorher gehörte Niesendorf zu Neschwitz.
 
Nicht unerwähnt sollen die Nöte und Ängste sein, die die Einwohner unseres Ortes erleiden mussten. 1876 im Sommer fielen alle Gebäude des Niederdorfes einem verheerenden Brand zum Opfer, den mit Feuer spielende Kinder ausgelöst hatten. Starker Wind bei großer Trockenheit und die mit Stroh gedeckten Häuser sollen das schnelle Umsichgreifen der Flammen begünstigt haben. Ein Löschen mit den damaligen Möglichkeiten war vergeblich. Der Wiederaufbau ohne den technischen Hilfsmitteln, über die man heute verfügt, erfolgte erstaunlich schnell. Es wird berichtet, dass das Kirchweihfest Anfang November im selben Jahr schon wieder in den neu errichteten Wohnhäusern gefeiert wurde. Man fragt sich, wie dieser rasche Wiederaufbau finanziell so schnell bewältigt werden konnte. Nicht der Staat, sondern die Dörfer der umliegenden Kreise sollen erhebliche Spendenmittel aufgebracht haben………“
„Unermessliches Leid und große Not brachte der 2. Weltkrieg. Der schwärzeste Tag war wohl der 19. April 19945, an dem sich alle Einwohner auf die Flucht begeben mussten und der Munasprengung sowie in den Folgetagen den erbitterten Kämpfen der Front ausgesetzt waren.
Der kleine Ort hatte 5 Gefallene, einen Vermissten, 4 auf der Flucht Umgekomme und einen Schwerverwundeten, der kurz nach dem Krieg verstarb, zu beklagen. Das waren 20 % der damals hier ansässigen Einwohner und mehr als doppelt soviel im Vergleich zum Gemeindedurchschnitt von 7 %.
Durch die Kriegseinwirkung brannte ein Wohnhaus ab, erhebliche Schäden an allen Gebäuden entstanden durch die Munasprengung. Fast der gesamte Viehbestand war abhanden gekommen.Nach dem Krieg ging es erst einmal um das Überleben, doch das schwerste Los hatten die Flüchtlinge zu ertragen, die ihre Heimat verloren hatten.
Zum Glück gab es auch gute Zeiten. 1890 fuhr das erste Mal die Eisenbahn durch Niesendorf.
1908 wurde die Strecke über Commerau bis nach Hoyerswerda erweitert. Das war für die damalige Zeit ein entscheidender Fortschritt. Allerdings wurde 1999 der Personenverkehr eingestellt…
Obwohl Niesendorf zu den kleinten Ortsteilen der Gemeinde gehört, ist der Ort in kultureller Hinsicht eine Besonderheit. Bereits 1910 preist der damalige Gastwirt Max Köhler den Ort an…“


Text auf der Ansichtskarte  (Gaststätte existiert nicht mehr)


„…als schönster Ausflugsort von Königswartha und Umgebung ist dennoch das 1968 entstandene Waldbad Niesendorf geblieben. Die vielen Erholungssuchenden auch von Dresden, Pirna, Zittau, Löbau, Kamenz oder Hoyerswerda sind ein Beweis für den hohen Stellenwert unserer Heide- und Teichlandschaft.
Viel Einsatz und Fleiß waren nötig, als es in Zeiten der DDR darum ging, den Fortbestand des kleinen Ortsteiles zu gewährleisten. Immerhin haben die Einwohner von Niesendorf
- 1977 die Einrichtung und Gestaltung eines Dorfplatzes, nach der Enttrümmerung eines halbzerfallenen alten Gehöftes,
- 1980 den Bau einer Bushaltestelle und
- 1987 den Anschluss an die Zentrale Wasserversorgung
in Eigeninitiative realisiert….“


Herr Schelzig danke in der Festschrift Herrn Dr. Herrmann für seine historischen Forschungen und die Unterlagen,  die er zur Verfügung stellte und Herrn Dr. Merla, dem damaligen Ortschronisten von Königswartha für die fachliche Beratung .
 
Der Aufsatz von Herrn Schelzig wurde  in „Serbska protyka 2012“, herausgegeben vom Domowina-Verlag,  in sorbischer Sprache veröffentlicht.
Vielen Dank nochmals an Familie Schelzig für die Bereitstellung der Unterlagen.


Zusammengestellt von: A.Hager
Februar 2021

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