Kanalbauer Wirth
Sein Wunschtraum:
Flussregulierung
„Kanalbauer-Wirth“
bombardierte auch
Nazi-Größen mit verwegenen Forderungen
Zu den originellsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts unserer
Oberlausitzer Heimat, dessen Versammlungen in den zwanziger und Anfang der
dreißiger Jahre von jung und alt sehr gern zahlreich besucht waren, gehörte der
“Kanalbauer-Wirth“ 1). Wenn er auf dem
Saal erschien und seine Pläne zur Kanalisierung der heimatlichen Flußläufe
erläuterte, begrüßten ihn die Zuhörer begeistert mit “Kanal voll!“. Dieser Ruf
dröhnte in der Spielzeit 1994/95 auch auf der Bühne des Bautzener
Deutsch-Sorbischen Volkstheaters, als die Tragigroteske “Die wendische
Schiffahrt“ des sorbischen Schriftstellers Kito Lorenc fünf Stunden lang die
Zuschauer in ihren Bann zog. Mit seinem Haupthelden, dem Erfinder Alfons Bauer,
hat der Autor dem 1878 in Wartha bei Groß Särchen geborenen “Kanalbauer-Wirth“
ein gelungenes literarisch-dramatisches Denkmal gesetzt. Alfons Bauers
Abenteuer endete mit der falschen Bautzener Tausendjahrfeier 2), aus dessen von SA-Marschmusik begleiteten
großen Festumzug der Held mit seinem selbstgebauten Kahn mit Rädern ausschert.
In Wirklichkeit jedoch schritt der Sorbe Paul Wirth im zweimal durchgeführten
großen historischen Festumzug brav mit durch die Straßen der Spreestadt.
Zwischen zwei sechsspännig bespannten Festwagen, der erste mit großen
Bierfässern der 1847 gegründeten Bautzener Brauerei und der folgende mit den
Produkten der Vereinigten Tuchfabriken, zog er seinen Wagenkahn. Er selbst trug
einen abgetragenen, mit vielen bunten Orden und farbigen Bändern geschmückten
schwarzen Gehrock und einen großen gelben Strohhut. Auf seinem Kahn auf Rädern
führte er auch Hacke, Spaten, Schaufeln und andere Geräte für
Kanalisationsarbeiten mit sowie ein Ofenrohr mit bunten Wimpelketten, das die
Esse eines Lausitzer Flußdampfers symbolisieren sollte. An den Kahnwagen war
ein weiteres rollendes Gefährt mit grauen Wänden aus Pappmaché angehangen. Es
wurde von einem Transparent überspannt mit der Aufschrift “Patentierter
fahrbarer Schützengraben“. Die von Paul Wirth verfaßte “Hymne zur
Tausendjahrfeier Bautzens“ wurde dabei an die Zuschauer verkauft. Ihre
begeisterten “Kanal voll!“-Rufe begleiteten den letzten großen öffentlichen
Auftritt des Kanalbauers, der huldvoll winkend und grüßend durch die Bautzener
Straßen schritt. Die Nazis verboten ihm bald darauf seine Kanalversammlungen,
denn den Ruf “Kanal voll!“ bezogen die neuen Machthaber auf sich. In die “hohe
Politik“ einzusteigen hatte Wirth schon am Ende der Weimarer Republik versucht.
Er gründete dazu die “Partei der Volksschulgebildeten Staatsbürger
Deutschlands“ und legte auch einen von Hunderten Unterschriften beglaubigten
Antrag für seine Reichstagswahlkandidatur vor. Von seinem populistischen
Wahlprogramm erhoffte er sich viele Wählerstimmen, denn die meisten Leute
hatten damals nur einen Volksschulabschluß. Ihnen versprach er ein Gesetz,
wonach sie bereits mit 50 Jahren in Rente gehen könnten und zugleich eine
Pension erhalten würden, die der eines Beamten entsprach. Ein Formfehler
verhinderte jedoch die Kandidatur des Kanalbauers. Die Machthaber des Dritten
Reiches aber hatten keineswegs Ruhe vor dem ideenreihen Querkopf. Wie schon zur
Kaiserzeit und in der Republik kämpfte er weiter mit einer Flut von Anträgen
und Eingaben gegen die von ihm gehaßte deutsche Staatsbürokratie, die immer
wieder seine Pläne abschmetterte. Der Bautzener Amtshauptmann Dr. Sievert
teilte so Wirth am 13. Mai 1935 mit, daß sein Verbot der Kanalbauversammlungen
vom 27. Oktober 1930 weiterhin besteht. Darin inbegriffen sei auch das Absingen
der Kanallieder – derer gab es etwa zehn –, wie dies a 3. Mai 1935 im
“Erbgericht“ in Callenberg geschehen. In den Jahren 1935 bis 1937 beschwerte
sich Wirth wiederholt beim “Führer“ sowie beim sächsischen Gauleiter Martin
Mutschmann. Diesem hatte der Kanalbauer bereits 1934 seine Pläne in Dresden
überreicht. Um den Antragsteller lozuwerden, machte der Gauleiter positive
Zusagen. Der aktuelle Anlaß zur Beschwerde war die Melioration der Wiesen am
Schwarzwasser und die Regulierung des Flußlaufes durch die Neschwitzer
Gutsherrschaft. Diese erfolgte nicht entsprechend den Plänen des Kanalbauers,
der sich darüber erbost um Hilfe nach Berlin wandte. In einem Schreiben vom 14.
November 1935 – “in dem Postamt in Bautzen als Einschreiben zur Post gegeben
Paul Wirth“ steht über der Abschrift des eng maschinenbeschriebenen Briefes –
lesen wir u.a.:

Paul Wirth wollte also nicht allein seinen “Schwarzwasser-Plan“ durchsetzen, den er dem Zeitgeist entsprechend zusätzlich noch um einen Übungsplatz für einen Marinesturm der SA ergänzt hatte, sondern auch zugleich die Bauleitung übernehmen. Falls er beim “Führer“ keinen Erfolg mit seiner Klage haben sollte, fügte er seinem Schreiben gleich noch einen zweiten Antrag “An den hohen Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in Leipzig“ hinzu. Die Reichskanzlei sandte das Schreiben Wirths zur weiteren Bearbeitung zurück an die NSDAP-Kreisleitung Bautzen. Diese war dem Neschwitzer Gutsbesitzer Freiherr von Vietinghoff-Riesch nicht gut gesonnen und forderte von seinem Rentamt eine Stellungnahme. Als der Freiherr den Kanalbauer am Neschwitzer Sägewerk begegnete, drohte er ihm und bluffte, daß er jetzt möglicherweise wegen seiner Beschwerde ins Gefängnis müsse.
Eine Anordnung aber besagte, daß derjenige, der einen anderen hinter Schloß und Riegel bringe, diesen auch dort zu unterhalten habe. Dies könnte für Wirth sehr teuer werden. Der erschrockene Kanalbauer schickte daraufhin dem Freiherrn und bekannten Ornithologen wenige Tage später ein totes Rotkehlchen zum Präparieren. Hiermit wollte er wohl beim Herrn auf Neschwitz um Gutwetter bitten. In Kito Lorenc` “Wendischer Schiffahrt“ ist es der Freiherr von Tzschätschwitz, mit dem sich Alfons Bauer so arg auseinandersetzt. Bald jedoch durchschaute Paul Wirth den Bluff und nahm seinen Donquichotteähnlichen Kampf gegen die Nichtbeachtung seiner Projekte wieder auf. In Briefen an die “Werten Führer des deutschen Volkes“ auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP und an den Gauleiter Martin Mutschmann nennt Wirth 20 von ihm “als vorläufige Probestrecken gemeldete und für die praktische Ausführung bestimmte Flußregulierungen“. Dazu gehörten vier Abschnitte des Schwarzwassers zwischen Birkenrode bis Königswartha, sechs Strecken der Wesenitz von der Hartmann-Mühle in Putzkau bis zur Elbeinmündung, die Gruna von der Bockmühle in Frankenthal bis an den Großen Teich in Rammenau, drei Abschnitte des Klosterwassers von Burkau bis Zerna, vier der Schwarzen Elster von Rauschwitz bis Hoyerswerda und die Spreeläufe vom Kloß-Wehr bis zum Mehlhard-Wehr in Schirgiswalde und von der Bautzener Hammermühle bis nach Öhna.
Das Reichsministerium verschaukelte den Kanalisator, indem es seine Eingaben regelmäßig an das sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit abschob. Dieses und untergeordnete staatliche Ämter wiesen die von einigen Dörflern unterstützten Projekte und Pläne Wirths kategorisch zurück, so u. a. 1937 an die Crostwitzer mit den Worten “Auf diesen Blödsinn gehen wir gar nicht ein! Wollt ihr die Sache nicht so ausführen lassen, wie wir euch das vorschreiben, dann bekommt ihr keine staatliche Beihilfe!“ Die Spreeanwohner zwischen Niedergurig und Klix erhielten als Antwort: “Sagen Sie den Leuten da draußen, sie mögen sich ihre Zeichnung einpökeln!“
Daraufhin fordert Wirth empört vom Nürnberger Parteitag der NSDAP: “Um der gesetzwidrigen Staatsvermögensvergeudung ein Ende zu machen, wollen der Reichsparteitag beschließen, die für den Zivilverwaltungsdienst unfähigen Beamten aus der Wasserbaudirektion, aus dem Wirtschaft- und Arbeitsministerium in Dresden und aus dem Straßen- und Wasserbauamt in Bautzen sowie aus der Amtshauptmannschaft in Bautzen in den Militärdienst einzuberufen, denn dort können sie zum Gaudium der Zivilbevölkerung durch Amtsfehler keinen Sachschaden anrichten.“ Der Brief an den Parteitag beginnt übrigens mit den Worten: “Die große Rede des Führers am 7. September habe ich mir in einem Bierlokal in Königswartha angehört!“
Die neuen Eingaben hatte vor allem der Regierungsbaurat Kretschmar bei der Vorsprache Wirths im Dresdener Ministerium am 5. Juli 1937 ausgelöst mit seiner Bemerkung “Wenn Ihre Angelegenheit von Fachkreisen eingereicht worden wäre, dann würde die Sache eher Berücksichtigung finden.“ Wütend wandte sich daraufhin der Kanalisator am 18. Juli 1937 an den Reichskanzler, und berichtend über die ihn demütigenden Antworten verschiedener Regierungsvertreter schrieb er: “Mein lieber Herr Adolf Hitler, das ist der Amtston einzelner Ihnen untergeordneter Beamten des Deutschen Reiches, welchen Sie neun Mark Tagelohn aus dem Vermögen des deutschen Volkes zahlen und welche ihm dann noch Schaden anrichten!“ Mit kaum vorstellbarer Kühnheit stellt dann der Kanalbauer fest: “Der Herr Reichskanzler Adolf Hitler ist auch kein akademisch geschulter Fachkanzler und auch der Herr Mutschmann ist von Beruf und vom Fach nur ein Textilfabrikant und so ist es mit vielen anderen Nichtfachleuten, welche von einem Volk als Fachleute anerkannt werden.“
Ferner forderte Wirth von Hitler: “… der Herr ehemalige Gefreiter und Korporalschaftsführer und jetzige Reichskanzler Herr Adolf Hitler in Berlin, wolle dem deutschen Volke den praktischen Beweis führen, daß er als ehemaliger Gefreiter und Untergebener des Hauptmanns und der Generalität, in dem Jahre 1937 über den Herrn Hauptmann und General und über die ehemaligen Gesetzebeschließende, in dem im Herrenhaus bestimmenden Adel, der Ritterschaft, hohen Beamten, Gelehrten und Besitzern großer Güter usw., die zusammengeschlossene Intelligenz, eine gesetzmäßige Bewirtschaftung des Deutschen Reiches nach dem angeblichen Führerprinzip allein bestimmen kann.“ Dies sollte der “Führer“ durch die gesetzliche Bestätigung der Wirthschen Kanalbaupläne beweisen. Es verwundert sehr, daß diese mehr als wagemutigen Formulierungen seiner Briefe an Hitler, den Parteitag und Mutschmann nicht schlimme Folgen für den Kanalbauer hatten.
Wahrscheinlich galt er aber als Spinner und Irrer, jedoch diese isolierten die Nazis bekanntlicherweise aus ihrer “Volksgemeinschaft“. Paul Wirth aber hatte Glück und erreichte in Freiheit das 67. Lebensjahr.
Über das Ende dieses Lausitzer Originals erzählt man sich Legenden. Er ist in den Kämpfen um Bautzen in den letzten Kriegstagen 1945 ums Leben gekommen. Nach einigen alten Bautzenern soll Paul Wirth als Parlamentarier mit der weißen Fahne der Roten Armee entgegengegangen und dafür von einem Feldgendarmen erschossen worden sein. Andere meinen, daß ein von ihm einst arg attackierter Nazibürokrat sich gerächt hätte, indem er ihn im Chaos des Kriegsendes tötete. Manche nehmen wieder an, daß die Rotarmisten ihn umbrachten. Der Tod des “Kanalbauer-Wirth“ bleibt ein Geheimnis wie auch seine unbekannte letzte Ruhestätte. In Erinnerung bleibt uns aber ein liebenswertes Original unserer Heimat, der ein phantasievoller Erfinder, begnadeter Volksredner, ein wenig Schwejk und Don Quichotte der Lausitz wie auch ein talentierter Reimeschmied in einem war.
Eine Anordnung aber besagte, daß derjenige, der einen anderen hinter Schloß und Riegel bringe, diesen auch dort zu unterhalten habe. Dies könnte für Wirth sehr teuer werden. Der erschrockene Kanalbauer schickte daraufhin dem Freiherrn und bekannten Ornithologen wenige Tage später ein totes Rotkehlchen zum Präparieren. Hiermit wollte er wohl beim Herrn auf Neschwitz um Gutwetter bitten. In Kito Lorenc` “Wendischer Schiffahrt“ ist es der Freiherr von Tzschätschwitz, mit dem sich Alfons Bauer so arg auseinandersetzt. Bald jedoch durchschaute Paul Wirth den Bluff und nahm seinen Donquichotteähnlichen Kampf gegen die Nichtbeachtung seiner Projekte wieder auf. In Briefen an die “Werten Führer des deutschen Volkes“ auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP und an den Gauleiter Martin Mutschmann nennt Wirth 20 von ihm “als vorläufige Probestrecken gemeldete und für die praktische Ausführung bestimmte Flußregulierungen“. Dazu gehörten vier Abschnitte des Schwarzwassers zwischen Birkenrode bis Königswartha, sechs Strecken der Wesenitz von der Hartmann-Mühle in Putzkau bis zur Elbeinmündung, die Gruna von der Bockmühle in Frankenthal bis an den Großen Teich in Rammenau, drei Abschnitte des Klosterwassers von Burkau bis Zerna, vier der Schwarzen Elster von Rauschwitz bis Hoyerswerda und die Spreeläufe vom Kloß-Wehr bis zum Mehlhard-Wehr in Schirgiswalde und von der Bautzener Hammermühle bis nach Öhna.
Das Reichsministerium verschaukelte den Kanalisator, indem es seine Eingaben regelmäßig an das sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit abschob. Dieses und untergeordnete staatliche Ämter wiesen die von einigen Dörflern unterstützten Projekte und Pläne Wirths kategorisch zurück, so u. a. 1937 an die Crostwitzer mit den Worten “Auf diesen Blödsinn gehen wir gar nicht ein! Wollt ihr die Sache nicht so ausführen lassen, wie wir euch das vorschreiben, dann bekommt ihr keine staatliche Beihilfe!“ Die Spreeanwohner zwischen Niedergurig und Klix erhielten als Antwort: “Sagen Sie den Leuten da draußen, sie mögen sich ihre Zeichnung einpökeln!“
Daraufhin fordert Wirth empört vom Nürnberger Parteitag der NSDAP: “Um der gesetzwidrigen Staatsvermögensvergeudung ein Ende zu machen, wollen der Reichsparteitag beschließen, die für den Zivilverwaltungsdienst unfähigen Beamten aus der Wasserbaudirektion, aus dem Wirtschaft- und Arbeitsministerium in Dresden und aus dem Straßen- und Wasserbauamt in Bautzen sowie aus der Amtshauptmannschaft in Bautzen in den Militärdienst einzuberufen, denn dort können sie zum Gaudium der Zivilbevölkerung durch Amtsfehler keinen Sachschaden anrichten.“ Der Brief an den Parteitag beginnt übrigens mit den Worten: “Die große Rede des Führers am 7. September habe ich mir in einem Bierlokal in Königswartha angehört!“
Die neuen Eingaben hatte vor allem der Regierungsbaurat Kretschmar bei der Vorsprache Wirths im Dresdener Ministerium am 5. Juli 1937 ausgelöst mit seiner Bemerkung “Wenn Ihre Angelegenheit von Fachkreisen eingereicht worden wäre, dann würde die Sache eher Berücksichtigung finden.“ Wütend wandte sich daraufhin der Kanalisator am 18. Juli 1937 an den Reichskanzler, und berichtend über die ihn demütigenden Antworten verschiedener Regierungsvertreter schrieb er: “Mein lieber Herr Adolf Hitler, das ist der Amtston einzelner Ihnen untergeordneter Beamten des Deutschen Reiches, welchen Sie neun Mark Tagelohn aus dem Vermögen des deutschen Volkes zahlen und welche ihm dann noch Schaden anrichten!“ Mit kaum vorstellbarer Kühnheit stellt dann der Kanalbauer fest: “Der Herr Reichskanzler Adolf Hitler ist auch kein akademisch geschulter Fachkanzler und auch der Herr Mutschmann ist von Beruf und vom Fach nur ein Textilfabrikant und so ist es mit vielen anderen Nichtfachleuten, welche von einem Volk als Fachleute anerkannt werden.“
Ferner forderte Wirth von Hitler: “… der Herr ehemalige Gefreiter und Korporalschaftsführer und jetzige Reichskanzler Herr Adolf Hitler in Berlin, wolle dem deutschen Volke den praktischen Beweis führen, daß er als ehemaliger Gefreiter und Untergebener des Hauptmanns und der Generalität, in dem Jahre 1937 über den Herrn Hauptmann und General und über die ehemaligen Gesetzebeschließende, in dem im Herrenhaus bestimmenden Adel, der Ritterschaft, hohen Beamten, Gelehrten und Besitzern großer Güter usw., die zusammengeschlossene Intelligenz, eine gesetzmäßige Bewirtschaftung des Deutschen Reiches nach dem angeblichen Führerprinzip allein bestimmen kann.“ Dies sollte der “Führer“ durch die gesetzliche Bestätigung der Wirthschen Kanalbaupläne beweisen. Es verwundert sehr, daß diese mehr als wagemutigen Formulierungen seiner Briefe an Hitler, den Parteitag und Mutschmann nicht schlimme Folgen für den Kanalbauer hatten.
Wahrscheinlich galt er aber als Spinner und Irrer, jedoch diese isolierten die Nazis bekanntlicherweise aus ihrer “Volksgemeinschaft“. Paul Wirth aber hatte Glück und erreichte in Freiheit das 67. Lebensjahr.
Über das Ende dieses Lausitzer Originals erzählt man sich Legenden. Er ist in den Kämpfen um Bautzen in den letzten Kriegstagen 1945 ums Leben gekommen. Nach einigen alten Bautzenern soll Paul Wirth als Parlamentarier mit der weißen Fahne der Roten Armee entgegengegangen und dafür von einem Feldgendarmen erschossen worden sein. Andere meinen, daß ein von ihm einst arg attackierter Nazibürokrat sich gerächt hätte, indem er ihn im Chaos des Kriegsendes tötete. Manche nehmen wieder an, daß die Rotarmisten ihn umbrachten. Der Tod des “Kanalbauer-Wirth“ bleibt ein Geheimnis wie auch seine unbekannte letzte Ruhestätte. In Erinnerung bleibt uns aber ein liebenswertes Original unserer Heimat, der ein phantasievoller Erfinder, begnadeter Volksredner, ein wenig Schwejk und Don Quichotte der Lausitz wie auch ein talentierter Reimeschmied in einem war.
Manfred Ladusch
1) Siehe auch “Als noch der Kanalbauer-Wirth durch die Lausitz zog“ im Oberlausitzer Hausbuch 1994
2) “Tausendjahrfeier ohne historische Grundlage“; Oberlausitzer Hausbuch 1992
_ _ _
Nowa Doba 1981
Die älteren Leute in der Oberlausitz können sich noch
gut an den „Kanalbauer“ Wirth (auf dem Bild in der Mitte mit Stock) erinnern,
welcher in den dreißiger Jahren durch unsere Heimat wanderte.
Vor großen Mengen an Zuhörern trug er seine Pläne für
die Kanalisierung der Lausitz vor und warb mit einer ungewöhnlichen
Redegewandtheit für sein fantastisches Projekt.„Kanalbauer“ Wirth wurde in
Wartha geboren und hat dort auch viele Jahre gelebt. - Foto: privat
Text übersetzt: Alenka Hager

Nr. 8
Spree-Wesenitz-Elbe-Schiffahrt-Propaganda
Melodie: „Eine Seefahrt“
Verfasser: P. Wirth in Wartha (Kr. Hoyerswerda)
Bautzen, am 5. September 1935
1. Bautzen liegt am schönen Spreelauf
Ja, in Bautzen ist es schön
Auf dem Spreelauf kannst du rudern
Und am Strand spazieren gehen. Holla hü …
2. Doch das ist doch keine Arbeit
Siehst dabei aus wie ein Held,
Denn das Übelste von allem,
Allen fehlt das liebe Geld. Holla hü …
3. Dieses Übel zu beheben
Forscht man längst in aller Welt,
doch die Spree-Schiffahrt zu
bauen,
bringt den Bautznern `s meiste
Geld. Holla hü …
4. Spree-Schiffahrt, die geht von Pirna,
Stolpen, Bischofswerda, dann,
Tunnel unter Tautewalde,
Man im Schiff dann fahren kann. Holla hü …
5. Kommst durch Wilthen und
Klein-Postwitz
Auf dem Butterwasser-Lauf,
Zwischen Rodewitz und Kirschau
Geht das Spree-Schiff dann
bergauf. Holla hü …
6. Ebersbach, am Fuß des Kottmar,
Wo die Spree entspringt darin,
Stolze Schiffe werden fahren
Dann durch Bautzen bis Berlin. Holla hü …
… und so geht es
noch viele Strophen weiter …