Kulturdenkmale-Kreuz auf dem Friedhof
Ein schmiedeeisernes Kreuz auf dem Friedhof Königswartha erzählt …
Auf dem Neuen Friedhof in Königswartha gibt es im Bereich der Kriegsgräber ein schmiedeeisernes Grabkreuz. Es ist das Einzige seiner Art neben den anderen Holzkreuzen und trägt die Inschrift:
Hier ruhet unsere liebe Mutter
Rosina Wawra
24.6.1863 - 4.2.1949
aus
Wigstadtl, Kr. Troppau
Schlaf wohl!

Der Ort Wigstadtl im Kreis Troppau wird den meisten Lesern nichts sagen. Geht man jedoch in der Geschichte etwas zurück, stößt man auf interessante Fakten.
Als die Verstorbene im Jahre 1863 in der alten deutschen Weberstadt geboren wurde, gehörte der Kreis Troppau zum Kaiserreich Österreich und zwar zu Österreichisch-Schlesien. In den drei Schlesischen Kriegen zwischen 1740 und 1763 hatte zuvor der Preußenkönig Friedrich der Große die Provinz Schlesien der jungen österreichischen Kaiserin Maria-Theresia(1717 -1780, 16 Kinder geboren) einfach weggenommen. Zehntausende Soldaten beider Länder ließen dabei ihr Leben. Nur ein ganz kleiner Teil Schlesiens blieb bei dem Kaiserreich Österreich. Das war der Kreis Troppau mit der Stadt Wigstadtl und 72 Gemeinden.


Auszug einer Schlesienkarte um 1922
Auszug einer Schlesienkarte um 1922
Der Verlust Schlesiens führte zu dem bekannten Satz von Maria-Theresia „Er nahm mir den Garten (Schlesien) und ließ mir den Zaun (Kreis Troppau)“.
Der zu 99% von katholischer Bevölkerung geprägte Kreis Troppau blieb bis 1918 bei Österreichisch-Schlesien, speziell bis 1782 beim Königreich Böhmen und danach bis 1849 und nochmals von 1860 bis 1861 bei Mähren. Mit dem Ende des Kaiserreiches Österreich im Jahre 1918 kommt der Kreis Troppau mit Wigstadtl zur Tschechoslowakei.In der Stadt leben im Jahre 1930 etwa 2/3 deutsche und 1/3 tschechische Bürger.
Bereits zwanzig Jahre später, mit dem Münchner Abkommen am 30.September 1938, gab es die nächste Staatszugehörigkeitsänderung. Die Stadt Wigstadtl und der Kreis Troppau werden dem Hitlerreich angeschlossen. Nicht einmal sieben Jahre später, mit der sich andeutenden Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, folgt ab Januar,bei eisiger Kälte,die Flucht eines großen Teiles der deutschen Bevölkerung. Nach dem Potsdamer Abkommen vom August 1945 beginnt dann die Vertreibung der Deutschen.
Rosina Wawra verschlug es im Alter von über 80 Jahren, auf einem Fluchtweg von etwa 500 Kilometern, nach Königswartha, in die damalige Sowjetische Besatzungszone. Hier verstarb sie am 14.2.1949.
Heute trägt Troppau den Namen Opawa, hat 55000 Einwohner und gehört zu Tschechien. Die Stadt liegt an der Südgrenze Polens und besitzt zahlreiche sehenswerte, historische Gebäude.
Wigstadtl heißt heute Vitkov und hier leben 4600 Einwohner.Im September 2021 fand in Göppingen nochmals ein Treffen ehemaliger Einwohner Wiegstadtls statt.
Ich selbst wurde etwa 90 Kilometer nord-westlich von Troppau in Oberschlesien geboren und musste mit meinen Eltern am 28. Januar 1945, vor fast genau 80 Jahren, bei extremen Wintertemperaturen und vereisten und verstopften Mittelgebirgsstraßen auf die Flucht gehen. Da war die Rote Armee bereits unweit von meinem Heimatort. Meine jüngste Schwester war erst 19 Tage alt.Es gab Leid, Elend und Grausamkeiten.Nach etwa 800 Kilometer durch das Glatzer Bergland, das Heuscheuergebirge und quer von Ost nach West durch die Tschechoslowakei, kamen wir im September 1945 nach Sachsen und errichteten uns in der kleinen Ackerbürgerstadt Hoyerswerda ein neues zu Hause.
Auch die Einwohner von Königswartha, Neschwitz und zahlreichen Orten der Oberlausitz mussten im April 1945 auf die Flucht. Sie erlitten tragische Schicksale und Verluste. So mancher kann es bis heute nicht vergessen!
Im Jahre 1969 war ich dann mit meiner Ehefrau und meiner Mutter erstmals wieder in Schlesien. Damals bestand der Heimwehtourismus noch sehr stark. Nun sind wir, die Kriegskinder, über 80 Jahre. Ich wünsche mir, dass unsere Nachfolgegenerationen so etwas nicht wieder erleben müssen.
Das Grabkreuz auf dem Königswarthaer Friedhof muss eine ganz solide Schmiedearbeit sein, denn auch nach 76 Jahren ist es – ohne spezielle Pflege und Restaurierung – noch erhalten. Es erinnert mich stets daran, dass Menschen wegen des grausamen Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verloren haben.
von Hans-Joachim Gawor, Februar 2025